Rund 80 Mal standen Notfallseelsorger des Main-Taunus-Kreises in diesem Jahr nach Unglücksfällen betroffenen Menschen zur Seite.
„Wir müssen Ihnen etwas mitteilen . . .“. Eine der schlimmsten Aufgaben für einen Polizeibeamten ist es, eine Todesnachricht zu überbringen. An einer Wohnungstür zu klingeln und Hinterbliebenen erklären zu müssen, dass ein enger Angehöriger nicht mehr nach Hause kommt, sei es durch Unfall, eine Straftat oder Suizid. Ungläubiges Entsetzen, stilles Nichtwahrhabenwollen oder überbordende Verzweiflung – die Betroffenen reagieren in diesem ersten Schock sehr unterschiedlich. Eines ist bei allen gleich: Sie dürfen in ihrem akuten Schmerz nicht alleine gelassen werden. Polizisten können dies allerdings schon aus Kapazitätsgründen zumeist nicht leisten.
Doch ein enges Netzwerk zu den entsprechenden Kräften ist geknüpft: Allein 20 Mal waren im Jahr 2015 ehrenamtliche Notfallseelsorger im Main-Taunus-Kreis bei der Überbringung einer Todesnachricht dabei und betreuten die Betroffenen danach noch mehrere Stunden lang, bis die Familie oder das soziale Umfeld diese Funktion übernehmen konnte.„Bleiben, wenn alle anderen gehen müssen“, heißt daher das Motto der Notfallseelsorge. Noch bis einschließlich 2011 konnte dieser Dienst meistens nur durch Pfarrer abgedeckt werden und blieb oft lückenhaft. „Erst seitdem wir von ehrenamtlichen Kräften unterstützt werden, läuft es wirklich reibungslos, und inzwischen können wir an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr eine entsprechende Versorgung gewährleisten“, so Pfarrer Michael Scherer-Faller, Leiter der Notfallseelsorge im Main-Taunus-Kreis und in dieser Funktion als einziger hauptamtlich tätig.Anfang 2012 startete also das hiesige Angebot, und nach mehreren Ausbildungskursen stehen mittlerweile gut 30 Aktive in ihrer Freizeit – selbst die Fahrtkosten tragen sie selbst – für den regelmäßigen Bereitschaftsdienst zur Verfügung. Unter ihnen sind die unterschiedlichsten Berufsgruppen vertreten – von Pflegekräften und Hospizmitarbeitern über Piloten und Flugbegleiter bis hin zu Versicherungsangestellten, Journalisten und Rechtsanwälten.Wer allerdings die markante lilafarbene Jacke mit dem Schriftzug „Psychosoziale Notfallversorgung“ trägt, für den gilt in erster Linie das im Kurs und während mehrerer Hospitanzen Gelernte. Gefragt ist dann viel Einfühlungsvermögen in Menschen und Situationen. Auch eine große Portion Lebenserfahrung hilft, Betroffenen im Schock beizustehen und einen Weg aufzuzeigen.Insgesamt fast 80 Einsätze gab es im zu Ende gehenden Jahr – so viele wie noch nie. Dabei wurden knapp 300 Erwachsene und zusätzlich 40 Jugendliche sowie 32 Kinder getröstet, gestützt, begleitet und beraten. Über 30 Mal mussten Angehörige nach häuslichen Todesfällen, häufig nach erfolgloser Reanimation, betreut werden, und selbst nach einem Mordversuch konnten die Notfallseelsorger dazu beitragen, dass die Betroffenen in den ersten Stunden danach nicht alleine blieben.Jeweils bis zu acht ehrenamtliche Kräfte gleichzeitig konnten kurzfristig rekrutiert werden, um bei mehreren Großereignissen zahlreichen Augenzeugen und Betroffenen direkt an Ort und Stelle zu helfen – darunter waren tödliche Verkehrsunfälle in Hochheim und Kriftel sowie ein Suizid in Eschborn.
Die meisten dieser Einsätze geschehen in enger Kooperation mit Polizei, Feuerwehr, Notärzten und Rettungsdiensten, die die Notfallseelsorger als wertvolle Unterstützung für die eigene Arbeit verstehen und dementsprechend immer häufiger anfordern. Dank dieses engen Teamworks muss sich in schwierigen Situationen niemand allein gelassen fühlen.
Auch das Seelsorger-Team ist zufrieden: „Wir möchten uns für das Vertrauen, das uns inzwischen von allen Seiten entgegengebracht wird, ganz herzlich bedanken, und wir werden alles dafür tun, dass die Zusammenarbeit weiterhin so konstruktiv verläuft und wir als Teil dieses Netzwerks unseren bestmöglichen Beitrag leisten“, so Scherer-Faller.
Er rechnet damit, dass Mitte nächsten Jahres weitere Ehrenamtliche die Notfallseelsorge im Main-Taunus-Kreis unterstützen können; ein entsprechender Ausbildungskurs startet im April. Wer sich zutraut, fremde Menschen in akuten Lebenskrisen zu unterstützen, in ungewohnten Situationen rasch zurechtkommt und auch unter Stress flexibel agieren kann, ist eingeladen, sich näher über dieses Engagement zu informieren.
Quelle: Höchster Kreisblatt, 31.12.15. Zum Artikel >>
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